Tag 43 Pause in Zagreb

Veröffentlicht am 11. Juli 2021 um 21:00

Man weiß gar nicht, woher die vielen Wunden in dieser Stadt stammen. Sind es noch Nachwehen des 2. Weltkrieges, oder Vernachlässigung in kommunistischen Zeiten, Zeichen der letzten Erdbeben (das letzte datiert von März 2020) oder neue gut gemeinte Bausünden. Auf jeden Fall ist es hier nicht langweilig, wenn man nicht unbedingt eine abgeleckte sterile Großstadt möchte. Vieles ist Schrott und häßlich, eingerüstet oder verlassen. Manches auch modern aber vieles auch historisch. Dieser wilde Mix hat seinen Reiz. Ob hier immer alles mit rechten Dingen zugegangen ist? Die Sicht vom Berg auf die Kathedrale wird durch einen riesigen Irish Pub aus Beton blockiert. Das ist wirklich Balkan hier. Hat wenig mit den Städten der kroatischen Küste gemein. 

Zum Glück gibt es hier auch kein dolles touristisches Angebot, welches mit einer Rabattkarte a la Brünn absolviert werden muss. So geht es fast ziellos durch die Straßen, Hinterhöfe und Gassen. Es gibt eine Unterstadt und eine Altstadt auf dem Hügel. Man kommt gut per Treppe oder ansteigende Straße hoch. Dennoch gibt es die kürzeste Standseilbahn der Welt, da sie gerade mal 30,5 Höhenmeter überbrückt. Ich nehme die Treppe.

Ein wenig Unterwelt gibt es auch. Ins Berginnere gelangt man wahlweise über einen der sechs Eingänge zum Tunnelsystem Gric. Gedacht war es im zweiten Weltkrieg als Schutzbunker. Heute sind es einfach nur Tunnel. Besonders angenehm ist die kühle Temperatur in den Gängen und man kommt irgendwo anders wieder raus. Anscheinend finden hier auch wohl mal irgendwelche Kunstaktionen statt. Heute nur nackter Beton.

Oben auf dem Berg meint man in einer Kleinstadt zu sein. Viele ein bis zweistöckige Gebäude säumen die Flaniermeile. Überall sitzen Leute beim Kaffee oder Bierchen. Man hat hier bereits eine schönen Blick auf die Unterstadt, könnte aber noch höher auf den Lotrščak Turm. Das spare ich mir. Zudem steht angeschlagen, dass seit dem Erdbeben von 2020 die regelmäßigen Böllerschüsse auf unbestimmte Zeit ausgesetzt sind.

Weiter gehts zur St. Markus Kirche. Das Dach ist mit bunten Schindeln versehen, ähnlich des Stefansdoms in Wien. Sieht niedlich aus, aber der Bau ist weiträumig abgesperrt. Ob das daran liegt, dass hier auch das Parlament sehr unscheinbar beheimatet ist. Oder geht es wieder um Auswirkungen des letzten Erdbebens?

In einer orthodoxen Kirche gönne ich mir ein wenig innere Einkehr. Man kann rein in den mit Ikonen bunt und goldverzierten Gebetsraum. Ich setzte mich auf einen Stuhl und beobachte die Rituale der Gläubigen und genieße die Stille. Kerzen kann man nur in einem kleine Nebengebäude anzünden.

Die ganze Stadt wird aber durch die Kathedrale überragt. Wenn man hinter den Pub gelangt, steht vor dem mächtigen Bauwerk. Auch hier ist wieder alles verrammelt mit Bauzäunen. Ich erfahre, dass hier mächtig renoviert wird, da das Gebäude zur Zeit Titos sich selbst überlassen wurde. Quasi die ganze Aussenhülle muss ausgetauscht werden. Exponate der alten Sandstein Fassade stehen ausgestellt im angrenzenden Klostergarten. Völlig zerfressen von Umwelt und sonstigen Einflüssen. Hier ist noch genügend Arbeit für die nächsten Jahre. Auch das jüngste Erdbeben hat eine Rückschlag in den Renovierungsmaßnahmen verursacht. Leider kann man das Ganze nur von Außen bestaunen und man kriegt ein gutes Gefühl dafür, was es bedeutet so ein Gebäude wieder auf Vordermann zu bringen.

So, das war es. Klasse, erst 15 Uhr. Ich weiß nicht, ob ich nach über 40 Tagen nicht mehr so begeisterungsfähig bin, aber für mich habe ich genug gesehen. Ich freue mich auf ein schönes Mittagsschläfchen. Um 17 Uhr wache ich völlig desorientiert auf. Es braucht eine Zeit zu realisieren wo und warum ich hier bin. Ein schöner Instant Kaffee hilft zu Orientierung.

Nun sitze ich hier bei schönstem Sommerwetter mit ein paar Engländern im Pub vor einer Großbildleinwand. Ein letztes Mal EM 2020 oder 2021, wie auch immer. Witzig ist auch, dass der kroatische Kellner gerade kurz vor Anpfiff den Fernseher neu programmiert und irgendeine PIN braucht. Ich hoffe, es bleibt ruhig bei den Englischen Fans. Mindestens einer ist schon nicht mehr amused.

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