Um 4 Uhr werde ich das erste Mal wach und ich hoffe, ich träume noch. Draußen regnet es seeehr hörbar. Um 5 Uhr werde ich das zweite Mal wach. Draußen regnet es immer noch laut. Um 6 Uhr schau ich dann auf meine Wetter App. Ach du meine Güte, den ganzen Tag 80% Regenwahrscheinlichkeit, ab Mittag Gewitter. Wie hatte gestern im Telefonat noch meine lieber Ex Arbeitskollege Klaus am Telefon gesagt : „bleib doch einfach ein Tag länger, wenn es Dir doch dort so gefällt“. Nu ja, passt nicht gerade in die Zeitplanung. Ich versuche über die HotelApp zu verlängern, leider ohne Verfügbarkeit. Ich schreibe eine Mail und rufe an. Erst mal ohne Erfolg. Da es bis 8 Uhr keine Rückmeldung gibt, packe ich meine Regensachen aus und verpacke den Rest extra ordentlich und regensicher. Für die 60km bis Posen stelle ich mich auf eine unangenehme Regenfahrt ein. Nicht schön, aber machbar.
Beim Frühstück im Zimmer wird es ruhiger draußen. Hey, es hört auf. Jetzt aber dalli auf Fahrrad. Wenigsten im Trocknen drauf steigen. Der Himmel ist voll von Wasser, aber es regnet nicht mehr. An solchen Tagen gibt es keine Nebensächlichkeiten, wie schöne Wege oder Fotos oder Pausen, einfach nur von A nach B kommen ohne großen Schaden. Ich freue mich über jeden regenfreien Kilometer, der vom Tacho geht. Irgendwie tränt mein rechtes Auge und ich setzte zum ersten Mal die Sonnenbrille auf. Ich bin normaler Weise kein Freund dieser Brillenart, aber es hilft dem Auge. Mit der Verdunklung sieht der Himmel noch viel drastischer aus. Damit ich überhaupt ein Foto heute habe, knipse ich die totale Ödniss einer Autobahn von einer Brücke herunter.
10, 15, 20 km ohne Regen. Durch die Sonnenbrille entdecke ich plötzlich eine neue Farbe am Himmel. Graublaugelbbraun. Ich glaub es nicht, die Sonne kommt zögerlich hervor. In dem Moment meldet sich meine Unterkunft von letzter Nacht. Es ist genau ein Zimmer frei, ich könne umkehren.
Ich fahre weiter und werde mutig. Ich wähle wieder schönere aber weitere Wege. Die Wetter App gibt mir nun bis 14 Uhr Zeit. Die tollen Waldwege sind aufgeweicht, es gilt Pfützen zu umfahren. Der Sand ist zu Matsche geworden. Der Weg ziemlich ausgewaschen. Ich sehe aber, dass ich heute nicht alleine hier war. Es ist eine weitere Fahrradspur zu erkennen. Und ein Pferd war auch wohl schon da. Das beruhigt mich schon mal, dass es scheinbar irgendwo hingeht. Wenn man dann wieder festen Boden untern den Räder hat, freut man sich dann doch, trotz der vorherigen schönen Abgeschiedenheit.
Hier in der Nähe von Posen fällt eine rege Bautätigkeit auf. Überall im Nirgendwo werden Wohnhäuser hochgezogen. Zumindest die Straße ist nicht erschlossen, hoffentlich der Rest. Posen scheint eine Boomtown zu sein / zu werden, wenn hier im Umfeld so viel passiert, denke ich. Sind Mieten bzw. Kosten für Eigentum in Posen auch schon ähnlich astronomisch wie in vielen deutschen Ballungszentren?
Ich werde noch mutiger und stelle mein Stativ auf (im Selfiestick integriert) und filme mich selbst, wie das Fahrrad einen Berg hochschiebe und wie ich es eine Treppe herunter manövriere. Ich nehme jede schöne Wegverlängerung mit.
Insbesondere 10km vor Posen, wo bereits das Ortsschild steht, sind sehr empfehlenswert. Aber ein robustes Bike braucht man schon, wenn der Weg aus mehr Schlaglöchern als Weg besteht. Dafür werden Seen, Wald und Null Verkehr geboten. Kurz vor der Stadt kommt man an einem Ruderstadion vorbei, wo gerade ein Wettkampf stattfindet. Der See hier ist gut einen Kilometer lang und war noch im letzten Jahr Austragungsort irgendeiner wichtigen internationalen Rudermeisterschaft. Da der Himmel nach wie vor dicht hält, geselle ich mich zum serbischen Ruderteam, das mit mir den schönen Ausblick auf die Ruderstrecke genießt.
Die letzten Meter in der 550.000 Einwohner zählenden Stadt sind toll für Fahrradfahrer gelöst. Keine Probleme. Im dem viel zu großen Appartment für mich (50qm mit Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad - für 20€) gibt es eine Waschmaschine, die ich heute mal für die hartnäckigen Gerüche nutzte, anstelle meines handbetriebenen Wachsacks.
Posen an sich überrascht mich positiv. Neben dem „normalen“ Altstadtplatz mit Kirche und viel Außengastronmie gibt es auch alternative Street Art und nette kleine Gassen. Die ganze Szenerie wird von einer Burg überthront. Hier kann man gut sein!
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